Auf dem Festplatz hat Bertold Picard seine Hilde „geschnappt“

Hilde und Bertold Picard sind seit 65 Jahren verheiratet. Foto: Beate Schuchard-Palmert

Das silberne Besteck „Stockholm“, das sie 1959 zur Hochzeit geschenkt bekommen haben, ziert auch zur Eisernen Hochzeit am 23. April die Kaffee-Tafel bei Hilde und Bertold Picard. Geheiratet haben die beiden im ehemaligen Kloster Himmelthal im Elsavatal bei Elsenfeld.

Als Junge lernte Bertold Picard die damalige Domäne in der wunderschönen Landschaft bei Ausflügen mit den Pfadfindern kennen. „Wir haben oft in der Scheune übernachtet, deshalb kannte ich das Gut und die schöne Barockkirche mit romanischem Ursprung“, erinnert sich der 91-Jährige. Es sei damals Mode gewesen, die Hochzeit nicht in der Heimatgemeinde zu feiern, sagt er. Trotz der idyllischen Lage führte damals noch eine Nebenstrecke der Bahn dorthin. „Viele Gäste hatten ja noch kein Auto“, erinnern sich die beiden. Für den Historiker und seine junge Verlobte sollte es ein historisches Ambiente sein. Hilde, die gerade 20 Jahre alt war und damals noch nicht volljährig, benötigte für die Hochzeit sogar die Unterschrift ihrer Eltern.

Aufgewachsen ist Bertold Picard in Großauheim, Hilde stammt aus Hanau, wurde während des Krieges evakuiert und wuchs in der Gemeinde Ronneburg auf. Während der Lehrzeit zur kaufmännischen Gehilfin in der Großauheimer Marienhütte lernte sie ihren späteren Mann kennen. Zunächst nur vom Sehen: „Sie radelte morgens mit dem Rad an mir vorbei, wenn ich auf dem Weg zum Bahnhof und zur Universität in Frankfurt war“, erinnert sich Picard.

Beim Oktoberfest 1957 in Hanau sprachen sie endlich miteinander, weil sie sich vom Sehen kannten. „Wir haben viel getanzt und sind auf der Rutschbahn gefahren, die zum Oktoberfest aufgebaut worden war“, erinnern sich beide lachend. Nach einer kurzen Beziehungspause – „Hilde hatte Schluss gemacht“, sagt Picard – „hat er mich im Sommer 1958 auf dem Festplatz endgültig geschnappt“, ergänzt Hilde Picard lachend. Obwohl sie evangelisch und er katholischen Glaubens ist, wurden die Hindernisse überwunden: „Ich musste einen katholischen Brautunterricht besuchen und unterschreiben, dass die Kinder katholisch getauft werden und aufwachsen sollten“, erinnert sich Hilde Picard. Dann stand der Trauung nichts mehr entgegen. Nachdem der promovierte Historiker als junger Bibliothekar an der Deutschen Bibliothek in Frankfurt angefangen hatte, suchte das junge Paar eine Wohnung „in einer schönen und möglichst wenig zerstörten Umgebung“, sagten beide. Geschichte sollte der Ort haben und einen Bahnanschluss.

Angesichts der damals herrschenden Wohnungsnot kein einfaches Vorhaben. In Eppstein wurden sie fündig und zogen 1963 mit dem knapp einjährigen Sohn Tobias ein. 1964 wurde Tochter Judith im damaligen Eppsteiner Krankenhaus geboren. Bertold Picard begann seine Arbeit als ehrenamtlicher Archivar auf Burg Eppstein. Diese Aufgabe behielt er auch bei, als die Familie 1969 wieder zurück nach Großauheim zog. Die Eltern hatten gebaut, Familie und Freunde lebten dort. Der Kontakt nach Eppstein blieb bestehen. Nicht nur über die Archivarbeit. Beim Burgfest half die ganze Familie mit und übernachtete über dem Museumsarchiv in riesigen alten Himmelbetten, die laut Picard aus der Villa Anna stammten.

Erst 2005 zogen Picards wieder ganz nach Eppstein. Ein kleines Fachwerkhäuschen in der Burgstraße hatten sie sich schon Jahre zuvor gekauft, renoviert und zunächst an Studenten vermietet. 2009 gab Bertold Picard das Stadtarchiv an Nachfolgerin Monika Rohde-Reith ab. Hilde Picard machte sich einen Namen während der Flüchtlingswelle 2015: Sie gehörte zu den ersten Freiwilligen, die sich um die zahlreichen Asylsuchenden aus Ländern wie Eritrea und Syrien kümmerten. Bis Dezember 2023 war sie im Asylkreis-Team aktiv und wurde bei der Vereinsgründung im vorigen Jahr geehrt.

Die Frage, ob sie eine gute Ehe führen, beantworten beide – nahezu ohne zu überlegen – mit Ja und sind sich auch darin einig, dass es dafür kein Rezept gebe. „Wichtig sind die frühen Jahre, da werden die Gemeinsamkeiten geprägt“, meint Hilde Picard, das sei wichtig, wenn später auch mal trennende Faktoren hinzukämen. Außerdem gebe es viele Dinge, die beide gleichermaßen mögen: „Wir lieben alte Häuser und alte Möbel“, sind sich beide einig und auch bei wichtigen Entscheidungen sei man einer Meinung gewesen. bpa

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