Lernen dürfen unterstützt Binnenflüchtlinge mit Schulneubau

Der Vorstand, Almut Gatz, Paula Kaiser, Markus Sortirianos, Claudia Papenhausen und Katharina Stein (v.li.), mit der Sportzeitung, auf deren Titel Fußball-Profi Edmond Tapsoba abgebildet ist.Foto: privat

Der Vorstand, Almut Gatz, Paula Kaiser, Markus Sortirianos, Claudia Papenhausen und Katharina Stein (v.li.), mit der Sportzeitung, auf deren Titel Fußball-Profi Edmond Tapsoba abgebildet ist.Foto: privat

Monatelang hat der Verein Lernen dürfen um seine Existenz gebangt. Hintergrund sind die anhaltende Terrorgefahr in Burkina Faso. Die Grenzregionen und inzwischen auch der Südosten des Landes sind besonders betroffen.

Deshalb waren in den vergangenen Jahren zunächst wegen der Corona-Pandemie, dann wegen der Gefahr von Anschlägen, keine Reisen in die Falaise Gobnangou möglich. Der einzige Kontakt bestand über den Repräsentanten Diergou Lompo von Untaani, der Hilfsorganisation vor Ort, der aber selbst mit Anschlägen auf seine Person rechnen muss und deshalb auch nicht mehr in die von Unruhen geplagte Region reisen darf. Deshalb agiert er von der Hauptstadt Ouagadougou aus und hat hin und wider Kontakt zu seinem Bruder.

Wie wir mehrfach berichtet haben, wurden die Spenden in den vergangenen Jahren zum Teil genutzt, um den jungen, lernwilligen Menschen in Burkina Faso die blanke Existenz zu ermöglichen, etwa durch Essensausgabe für Schülerinnen und Schüler, die nun Schulen in entfernten Städten besuchen müssen. Etliche der Grundschulen und das weiterführende Collège in der Falaise sind immer noch geschlossen, weil die Terrormiliz einen großen Teil des Südostens des Landes kontrolliert, in dem auch die Falaise Gobnangou liegt. Deshalb hat sich der Verein in den vergangenen Jahren auf die Finanzierung von Alphabetisierungsklassen für junge Erwachsene in der Region konzentriert.

Zuletzt war das die einzige Möglichkeit, dass auch Kinder unterrichtet wurden. Der in der Landessprache Gourmanche gehaltene Unterricht wird offensichtlich von den Terroristen geduldet. Bislang, so Lernen dürfen-Vorsitzende Claudia Papenhausen, gab es darauf noch keine Überfälle.

Parallel dazu liefen Planung und Antragsverfahren für den Neubau eines Lyzeums in Tambaga, der Hauptstadt der Nachbarprovinz Tapoa. Ursprünglich war die Schule wohnortnah im zentralen Ort der Falaise, Nagaré, geplant. Wegen der zunehmenden Überfälle wurde mit dem Bundesministerium für Zusammenarbeit (BMZ), das den größten Teil der Kosten übernimmt, ein alternativer Ort gefunden. Das abgelegene Tambaga wurde für sicherer befunden. Der Antrag für den Schulneubau wurde im Sommer 2022 bewilligt. Der Bau sollte bis Sommer 2024 fertig werden. Doch schon im Herbst 2022 änderte sich die Lage in Tambaga grundlegend: Die Stadt wurde von den Terrorgruppen eingenommen. Ein Schulneubau wurde dort unmöglich. Auch die nächst gelegene Stadt Diapaga ist eingeschlossen und nur noch über die Luft erreichbar.

Da Untaani ein weiteres, möglicherweise jahrelanges neues Antragsverfahren vermeiden wollte, wurde die Schule, ohne die deutschen Unterstützer in Kenntnis zu setzen, in der rund 250 Kilometer von der Falaise entfernten, aber deutlich sichereren Stadt Fada N’Gourma errichtet, da sich dort ohnehin zahlreiche Binnenflüchtlinge aus den südöstlichen Provinzen eingefunden haben. Zudem hatte einer der Grundbesitzer schon 2022 der Kommune ein Grundstück am Ortsrand überschrieben mit der Festlegung, dass das Grundstück nur für eine öffentliche Institution, bevorzugt für einen Schulneubau, verwendet werden dürfe. Von diesen Änderungen erfuhren die Vereinsvorsitzenden in Eppstein und in Würzburg erst in diesem Frühjahr – und waren geschockt.

„Wir sind ohnehin seit fast zwei Jahren von direkten Nachrichten aus der Falaise abgeschnitten, weil die Terroristen sämtliche Funkmasten zerstört haben“, erzählt Claudie Papenhausen. Eine direkte Verbindung sei kaum möglich. „Als wir dann über google Maps den Neubau unserer Schule in Tambaga nicht entdeckten und stattdessen Fotos vom Neubau in Fada N’Gourma erhielten, waren wir fassungslos. Wie sollten wir das dem BMZ erklären?“, fasste Papenhausen die Situation im Frühjahr zusammen: „Das BMZ hätte nicht nur die Mittel streichen, sondern uns auch noch Strafzahlungen auferlegen können.“

Inzwischen hat sich die Situation entspannt. Der Verein hat die veränderte Situation detailliert in einer Stellungnahme geschildert, unter anderem die vorher nicht absehbaren, fatalen Auswirkungen der Terrorangriffe, und einen Änderungsantrag eingereicht, um den Ortswechsel nachträglich genehmigen zu lassen. Das Gebäude selbst sei fristgerecht und den Vorgaben entsprechend gebaut worden – Sogar eine spätere Aufstockung des Gebäudes sei vorbereitet worden.

Dank zahlreicher Helfer bei den neuen Anträgen und verständnisvoller Ansprechpartner beim BMZ sei dem Verein das nahezu Unmögliche gelungen, berichtet Papenhausen: „Das Ministerium hat die Änderungen akzeptiert.“ Inzwischen wurde auch schriftlich bestätigt, dass der Verein durch die Änderung alle vereinbarten Ziele erreicht habe. Denn mit dem neuen Standort werde eine Schule für die zahlreichen Binnenflüchtlinge aus der Falaise geschaffen.

Das wiederum führte dazu, so Papenhausen, dass das Projekt in einen Fonds für Hochrisikogebiete in Afrika aufgenommen wurde. Statt bisher 75 Prozent werden nun sogar 90 Prozent der Gesamtkosten in Höhe von 568 000 Euro übernommen. „Das grenzt an ein Wunder“, sagte Papenhausen. Auch wenn dieses Wunder nur möglich werde wegen der dramatischen Zustände in Burkina Faso. Unter den zehn weltweit am wenigsten beachteten Krisenherden der Welt liegt der Staat im Westen Afrikas zum zweiten Mal an erster Stelle.

Kein Wunder, dass der Vereinsvorstand bei der Mitgliederversammlung im Juni im Musikschulhaus sichtlich erleichtert war und das 15-jährige Bestehen von „Lernen dürfen“ unbeschwert feierte. Unter den über 30 Gästen nahmen auch einige online aus Hamburg, Berlin, München und Darmstadt teil. Die vier jungen Lernen-Dürfen-Vorstandsmitglieder aus Würzburg kamen extra angereist, um Rechenschaft abzulegen und mit den Unterstützern ins Gespräch zu kommen. Das Angebot nahmen viele an.

Mehrfach musste sich der Vorstand um Claudia Papenhausen den Vorwurf anhören, dass im vorigen Jahr zu wenig über die Projekte berichtet wurde. Tatsächlich wurde Lernen dürfen in den 24-Gute-Taten Kalender aufgenommen und erhielt im März aus diesem Online-Projekt 41 000 Euro für die nächsten Alphabetisierungskurse. „Das war nicht so viel wie wir uns erhofft hatten“, sagt Papenhausen. Denn mit den eigentlich erwarteten 60 000 Euro sollten rund 110 neue Alphabetisierungsklassen in der Falaise finanziert werden. „Uns kam zugute, dass zuletzt weniger Klassen gebildet wurden als angemeldet waren.“ Woran das liegt, könne der Verein nicht feststellen. Möglicherweise gibt es zu wenige Lehrer für zusätzliche Klassen. Wegen der spärlichen Nachrichten finanziert der Verein im kommenden Schuljahr nur das abschließende zweite Schuljahr der laufenden Alphabetisierungskurse.

Außerdem sammelt er Geld für eine Krankenstation, mit der das neue Schulgebäude in Fada N’Gourma aufgestockt werden soll. Denn viele der Flüchtlinge sind krank. „Meistens keine ernsthaften Erkrankungen, die aber dennoch behandelt werden müssen“, sagt Papenhause und bittet um Spenden auf das Konto von Lernen dürfen bei der Nassauischen Sparkasse: DE64 5105 0015 0225 0759 77.

Für ein anderes wichtiges Projekt in der Falaise fehlen derzeit die Ansprechpartner: Der Verein möchte dort sobald wie möglich vier neue Brunnen bohren. Noch immer müssen viele Burkinabe kilometerweit für frisches Wasser laufen. Mit den Brunnen soll der Gemüseanbau gefördert werden. Außerdem will der Verein Webkurse finanzieren und die Anschaffung von Webstühlen unterstützen. Das sind vor allem Projekte, um Frauen zu fördern.

Der Verein, der seit seiner Gründung 2009 Schulen, Brunnen und eine Brücke gebaut und seit 2010 für tausende von jungen Erwachsenen zweijährige Alphabetisierungskurse finanziert hat, hofft, dass sich auch diesmal ein Weg findet und die Funkstille zur Falaise überwunden wird.

Einen neuen Unterstützer hat „Lernen dürfen“ vor kurzem in Leverkusen gefunden: Edmond Tapsoba, Fußballstar der Meistermannschaft von Bayer Leverkusen und Burkinabe, will die Schirmherrschaft für Lernen dürfen übernehmen. Die Kontakte zu Tapsoba hat Kassenverwalter Markus Sotirianos, der ehemalige Fan- und Förderabteilungsleiter der „Darmstädter Lilien“, über seine Kontakte zum Profifußball geknüpft. bpa

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