Hebesatz fällt niedriger aus

Die Tabelle zeigt, wie sich die Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes B auf 995 Prozent bei allen 5612 Grundstücken in Eppstein auf den Grundsteuerbetrag auswirkt – 2283 zahlen weniger, 70 genauso viel, alle anderen mehr. 
            Quelle: Stadt Eppstein

Die Tabelle zeigt, wie sich die Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes B auf 995 Prozent bei allen 5612 Grundstücken in Eppstein auf den Grundsteuerbetrag auswirkt – 2283 zahlen weniger, 70 genauso viel, alle anderen mehr.

Quelle: Stadt Eppstein

Die Empörung in der Stadt war groß: Mit der von Kämmerin und Magistrat empfohlenen Hebesatzerhöhung vom gerade erst beschlossenen neuen Hebesatz …

… von 741 auf 1450 Prozent würden sich die Grundsteuereinnahmen der Stadt nahezu verdoppeln – die Grundsteuerabgaben der Bürger unterm Strich allerdings auch. Die Folge: Proteste in den sozialen Medien, Gespräche im Rathaus mit aufgebrachten Bürgerinnen und Bürgern am Telefon und etliche Beratungen bis tief in die Nacht. Zahlen und Angaben im Haushalt wurden noch einmal aktualisiert. Einige, so Bürgermeister Alexander Simon, hätten sich zu Jahresbeginn verbessert. Am Dienstag legte der Magistrat einen neuen Vorschlag für den Haushalt 2025 vor. Wichtigste neue Eckpunkte darin sind ein Hebesatz für die Grundsteuer B von 995 Prozent und eine Liste mit weiteren Einsparungen in Höhe von insgesamt 1,2 Millionen Euro. Darüber hinaus muss eine neue Arbeitsgruppe der Gremien weitere 900 000 Euro im Rahmen der Haushaltssicherung kürzen.

Stadt rückt von Rekordhebesatz ab: 995 statt 1450 Prozent

Messwerte sind sehr unterschiedlich

3,15 Millionen Euro an Mehrausgaben wollte die Stadt durch Mehreinnahmen in Höhe von 3,2 Millionen Euro bei der Grundsteuer auffangen. Die hohen Kosten führt Kämmerin Sabine Bergold auf die gesamtwirtschaftliche Lage zurück: Höhere Umlagen an Land und Kreis – die Kreisumlage steigt um fast 10 Prozent auf 8,48 Millionen Euro – Rückgang der Gewerbesteuer sowie höhere Personalkosten nach neuen Tarifabschlüssen und der Übernahme eines Kindergartens mit elf Mitarbeiterinnen.

Die Reaktion einiger Leserinnen und Leser auf den ursprünglichen Entwurf mit einem Hebesatz von 1450 Prozent reichte vom Vorwurf der „massiven Abzocke“, der Aufforderung bei den Ausgaben „auf die Bremse zu treten“, bis zur Karikatur-Postkarte vom „liebenswerten Eppstein“ als neuem „Grundsteuermeister“. Die Eppsteiner SPD protestierte mit einer Plakataktion gegen die neue Grundsteuer, die Fraktion sei „geschockt“, sagte Fraktionschef Thomas Schäfer und fordere sofortiges Handeln, auch von Land und Kreis: Das Land müsse die Kindergärten finanzieren und der Kreis bei der Umlage seiner Ausgaben einkommensschwache Kommunen wie Eppstein entlasten.

Als Sofortmaßnahme für den Eppsteiner Haushalt schlägt die SPD eine deutliche Erhöhung der Gewerbesteuer von derzeit 360 auf 410 Prozent vor. Das geht noch über den Vorschlag des Magistrats hinaus, der eine Erhöhung auf 380 Prozent vorsieht.

Überhaupt, so der Vorwurf der SPD, habe das CDU-regierte Eppstein in den vergangenen Jahren den Anschluss an neue Einnahmequellen verpasst: Windkraftanlagen zwischen Bremthal und Wildsachsen seien abgelehnt worden, erst als Niedernhausen eine gemeinsame Anlage vorschlug, sei Eppstein wach geworden. Das gleiche gelte für Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden und Anlagen. Auch dort verzichte die Stadt auf Einnahmemöglichkeiten durch Energieeinspeisung.

Bürgermeister Alexander Simon macht deutlich: „Der Haushalt 2025 wird ohne eine Anpassung der Grundsteuer B nicht darstellbar sein.“ Gleichzeitig weist er darauf hin, dass der „vormals errechnete Hebesatz für die Grundsteuer B nicht mehr im Raum steht“. Das heißt: Eine Erhöhung auf 1450 Prozent ist vom Tisch.

Der Magistrat schlägt nun einen Hebesatz von995 Prozent vor, verbunden mit weiteren Einsparungen und einem Haushaltssicherungskonzept. Nur so könne die Stadt handlungsfähig bleiben, machen die beiden Hauptamtlichen im Rathaus deutlich. Endgültig entscheiden die Stadtverordneten darüber in ihrer Sitzung am 6. März.

Das Verständnis für die Grundsteuererhöhung hielt sich bei der geplanten massiven Erhöhung auf 1450 Prozent bei vielen Menschen in Grenzen. „Wir werden oft gefragt, was andere Kommunen besser machen als Eppstein“, sagt Simon im Gespräch mit der Eppsteiner Zeitung. Zur Antwort führt er deren Haushaltsergebnisse an: Fast alle Nachbarkommunen weisen wie Eppstein unterm Strich Defizite in Millionenhöhe aus. Hattersheim müsse sogar neun Millionen Euro ausgleichen. Dank hoher Rücklagen füllen die meisten der betroffenen Kommunen ihre Defizite mit einem Griff in die eigene Tasche auf – „Noch“, sagt Simon. Denn auch deren Rücklagen seien nicht unendlich. Eppsteins Rücklagen sind schon seit einer hohen Steuerrückforderung vor gut zehn Jahren nahezu ausgeschöpft. Aktuell betragen sie 750 000 Euro.

Eine Liste mit 20 Maßnahmen verrät, wo die Stadt konkret sparen oder Einnahmen verbessern will, um das Defizit um 1,2 Millionen Euro zu senken: Zum Beispiel bei Rechtsanwaltskosten, bei den Aufwendungen für Bäume und Gebäude, durch Kürzung bei Sitzungsgeldern, Vereinsförderung und amtlichen Bekanntmachungen. Bei der Auftragsvergabe für die Instandhaltung von Brücken sieht die Stadt die Möglichkeit Geld zu sparen oder durch Vermarktung eines Grundstücks zusätzliches einzunehmen. Der Neujahrsempfang wurde diesmal ausschließlich durch Spenden finanziert, das könne auch bei anderen städtischen Veranstaltungen Schule machen. Personalkosten würden gespart, wenn eine freie Stelle im Bürgerbüro unbesetzt bleibt.

Unabhängig vom neuen Hebesatz fallen die im Rahmen der Grundsteuerreform neu berechneten, individuellen Grundstücks-Messwerte sehr unterschiedlich aus. Diese Messwerte werden mit dem Hebesatz der Kommune multipliziert und durch 100 geteilt. Daraus ergibt sich der individuelle Grundsteuerbetrag.

Wir haben einige Eppsteiner nach ihren alten und neuen Messwerten gefragt und fanden dabei die Faustregel bestätigt, je besser die Lage, je größer Grundstück und Wohnraum, umso höher ist der neue Messwert. Hinzu kommt, dass bei einigen älteren Anwesen der ehemalige Messwert sehr niedrig war und durch Anbauten oder beispielsweise den Ausbau von Scheunen auf ehemaligen Hofreiten der neue Messwert deutlich höher ausfällt.

Auch die Stadt hat sich die insgesamt 5612 Grundstücke in Eppstein und die neuen Messwerte angeschaut und festgestellt, dass selbst beim Hebesatz von 995 Punkten bei 2283 Grundstücken die Grundsteuer niedriger ausfällt, als bisher, bei 70 Grundstücken bleibt das Steueraufkommen gleich. 1569 Grundstücksbesitzer zahlen bis zu 200 Euro mehr als bisher – 3922 Grundstücke werden demnach weniger oder mit jährlich maximal 200 Euro mehr belastet. 1123 Grundstücksbesitzer zahlen bis zu 500 Euro mehr, 443 bis zu 1000 Euro mehr. Immerhin 124 Grundstückbesitzer müssen eine Teuerung ihrer Grundsteuer um über 1000 Euro tragen. Erste Stadträtin Sabine Bergold rät allen, deren neue Steuerberechnung deutlich von der bisherigen abweicht, sich den Bescheid des Finanzamtes für den neuen Messwert genau anzuschauen, zum Beispiel den Grundstückswert und die Größe.

Eine Bremthalerin berichtet uns, dass ihr Messwert von 58 Euro auf 131 hochgesetzt worden sei. Ihre neue Grundsteuer sei nun gut dreimal so hoch wie bisher und betrage fast 1300 Euro. Sie will Einspruch erheben, weil ein Flurstück ihres Grundstücks im Grundbuch eindeutig als Gartenland ausgewiesen sei, vom Finanzamt aber wie Bauland berechnet werde.

Manchmal, so Bergold, sei die Diskrepanz zwischen altem und neuem Wert so hoch, weil die Grundstücke bisher extrem niedrig bewertet waren. Sie empfiehlt im Zweifel die Nachbarn nach deren Messwert zu fragen, das könne bei der Einordnung helfen, ob der Messwert fürs eigene Grundstück plausibel sei.

Bergold weist darauf hin, dass einige Messwerte vom Finanzamt geschätzt wurden, vermutlich weil die Besitzer den Antrag auf Feststellung des neuen Messwertes gar nicht eingereicht haben. Diese Schätzung könne höher ausfallen als der tatsächliche Wert, weil das Finanzamt kaum zu seinen Ungunsten schätzen würde. Auch Angaben zur Wohnungsgröße können falsch sein. So gehören Kellerräume nicht in die Berechnung des Wohnraums und Terrassen in der Regel nur zu einem Viertel. Ein Antrag auf Änderung der Berechnung sei jederzeit möglich, wenn der Einwand berechtigt ist. Dann kann der Messwert zumindest für die kommenden Jahre korrigiert werden.

Ein Ehepaar in einer der Seitenstraßen der Vockenhäuser Bergstraße hat nach eigenen Angaben den gleichen Messwert von 90 Euro wie vor der Reform erhalten – zahle deshalb nun statt bisher 612 Euro Grundsteuer mit dem neuen Faktor von 9,95 voraussichtlich 895 Euro pro Jahr. Bei einem Ehepaar aus der Feldbergstraße wurde der bisher recht hohe Messwert von 153 auf 111 Euro gesenkt – die beiden rechnen mit einer geringen Erhöhung der Grundsteuer um etwa 60 auf 1100 Euro.

Übrigens war im vorigen Jahr noch eine Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke im Gespräch. Mit dieser zusätzlichen Steuer soll deren Bebauung vorangebracht werden. Sie wurde inzwischen verworfen. Der hohe Verwaltungsaufwand lohnt sich nur, wenn es viele solcher Grundstücke gibt. Das sei in Eppstein nicht der Fall, sagt Bergold. bpa

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19. Februar 2025 - 23:46

Hebesatz fällt niedriger aus

Zu der Aussage:

"Darüber hinaus muss eine neue Arbeitsgruppe der Gremien weitere 900 000 Euro im Rahmen der Haushaltssicherung kürzen",
hätte ich schon eine Sparmöglichkeit:

Keine teuren Gutachten beauftragen (siehe Verkehrskonzept Altstadt, das man dann nur rudimentär umsetzen will),
deren Kosten sich mindestens im hohen fünfstelligen Bereich (oder gerne auch mehr) bewegen und dafür mal selber nachdenken und Lösungen finden.

Ansonsten trifft die Aussage in dem Leserbrief von Hr. Heck:

"Wie in jedem Haushalt, muss es auch im Haushalt Eppstein möglich sein, ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen.
Wenn das nicht gelingt, sollten einige Personen im Rathaus vielleicht ausgetauscht werden",

voll das Problem.

F. Balle



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