Überschuss aus Fairtrade-Verkauf fließt in Entwicklungsprojekte

Jochen und Gudrun Souverein am Eine-Welt-Stand auf dem Wochenmarkt.Foto: Beate Schuchard-Palmert

2010 begann die zweite Karriere von Jochen und Gudrun Souverein als ehrenamtliche Verkaufstalente im Eine-Welt-Kreis (EWK). Seit 14 Jahren trotzen die beiden Wind und Wetter und sind nahezu jeden Freitag mit ihrem Fairtrade-Stand auf dem Wochenmarkt.

Ein Jahr zuvor ging der ehemalige Wirtschaftsprüfer in Rente und suchte nach neuen gemeinnützigen Aufgaben, gemeinsam mit Ehefrau Gudrun, die sich bereits im Eine-Welt-Kreis engagierte.

Inzwischen sind Jochen Souverein 75 und Ehefrau Gudrun 72 Jahre alt. Deshalb suchen sie Nachfolger für den beliebten Wochenmarktstand. „Wir haben viele Stammkunden, die uns auch während der Pandemie die Treue hielten“, sagt Gudrun Souverein. Sie genießen die vielen Kontakte, privaten Gespräche und die freundliche Atmosphäre auf dem kleinen Marktgelände.

Dennoch wollen sie die Verantwortung für „unser gut gehendes Kleinunternehmen“, so Jochen Souverein, abgeben. Denn die Waren müssen bestellt, gelagert und transportiert werden. Vor und nach dem Verkauf stehen Kassensturz und Warenbilanz an. „Wir müssen Nachschub aus unserem Hauptlager bei uns zu Hause zum Nebenlager in Alt-Eppstein bringen und den Warenbestand ständig im Blick behalten, um rechtzeitig Nachschub bei unseren drei Handelspartnern zu bestellen.“

Beim ortsansässigen Nuss-Importeur Ecoterra sei das verhältnismäßig einfach und unbürokratisch, bei den beiden großen Fair-Handelsketten, Gepa und Weltpartner, müssen die beiden ehrenamtlichen Kleinstunternehmer genau kalkulieren.

Beide sind stolz darauf, dass der wöchentliche Umsatz stabil ist: „Wir haben unterschiedliche Waren und Angebote ausprobiert, um herauszufinden, was die Eppsteiner Kundschaft mag.“ Schokolade und Kaffee haben ihre festen Abnehmer. Besonders beliebt ist der von Souvereins eigens 2018 zur Verleihung des Fairtrade-Siegels an die Stadt Eppstein kreierte „Burg-Kaffee“, dessen Verpackung eine Grafik von der Burg ziert. Und auch für so ausgefallene Waren wie Chips aus blauen Kartoffeln aus Bolivien gibt es kaum andere Handelspartner in der Region, weil die Weltpartner-Genossenschaft ihre Waren nicht in Supermärkten anbietet.

Seit etlichen Jahren unterstützt der Eine-Welt-Kreis mit dem Erlös aus den Verkaufsständen die vier Eppsteiner Hilfsorganisationen, die mit ihren Spenden konkrete Projekte in Afrika finanzieren. „Die Eppsteiner wollen wissen, wie ihr Geld verwendet wird und wohin es fließt“, sagt Souverein. Deshalb wird der Überschuss in Höhe von 4000 bis 5000 Euro pro Jahr gerecht verteilt und geht an den Verein Lernen dürfen für Schulen und Alphabetisierungskurse in Burkina Faso, die in Kenia wirkende Ostafrikahilfe, den Gambiakreis der Talkirchengemeinde und „Umoja“, den Förderverein der katholischen Gemeinde Eppstein für Projekte in Tansania.

Familie Souverein wohnte seit 1981 in Vockenhausen und zog, als die Familie Zuwachs bekam, 1986 in ein größeres Haus nach Ehlhalten. Ehefrau Gudrun kehrte nach der Geburt der beiden Töchter und ihres Sohns nicht mehr in ihren Beruf als Übersetzerin zurück, sondern kümmerte sich um die Erziehung der Kinder. Sie engagierte sich damals schon ehrenamtlich: In der Cafeteria und im Kleinkunst-Team der Freiherr-vom-Stein-Schule, im Elternbeirat und in der Hausaufgabenhilfe für jugendliche Asylbewerber. Seit Gründung der Stadtteilbibliothek in der Pfarrscheune in Ehlhalten leitet sie die kleine Bibliothek, die im Herbst ihr 25-jähriges Bestehen feiert. Seit etwa 15 Jahren engagieren sich beide im Eine-Welt-Kreis.

Ehemann Jochen fand erst im Ruhestand Zeit fürs Ehrenamt. „Als Wirtschaftsprüfer einer der führenden Gesellschaften in Deutschland war ich froh, wenn ich meine Familie sehen konnte“, sagt er lachend. Sportlichen Ausgleich fand er beim Volleyball-Team des TSV Vockenhausen und später beim TuS Niederjosbach. Seine kaufmännischen Fähigkeiten setzte er außerdem im Burgverein und beim Verein „Lernen dürfen“ ein. Im Burgverein war er seit 2010 bis zur Jahreshauptversammlung Ende April Kassierer und bei „Lernen dürfen“ bis 2022. Beide Vereine verdanken ihm viel, schließlich behielt er in Jahren großer Investitionen den Überblick über die Finanzen: Der Burgverein realisierte unter anderem die Burgbeleuchtung, bei Lernen dürfen mussten etliche Fristen und Anträge für den Bau von Schulen in Burkina Faso eingehalten werden.

Den Eine-Welt-Stand auf dem Wochenmarkt gibt es ungefähr seit 2008. Der Eine-Welt-Kreis, ein loser Zusammenschluss von Eppsteinern, die die Ungerechtigkeit zwischen den wohlhabenden und den armen Ländern nicht untätig hinnehmen wollten, entstand schon Anfang der 1980er Jahre. Von den Gründern sind nur noch wenige dabei. Jürgen Bachteler beispielsweise führt bis heute das Kassenbuch. Hilde und Bertold Picard helfen noch immer beim Aufbau des Marktstandes und stellen beim Weihnachtsmarkt ihre Garage in der Altstadt für den Verkauf der fairen Waren zur Verfügung. Seit einigen Jahren hilft die Eppsteinerin Ute Weigand auf dem Marktstand mit.

Von Anfang an setzte sich der EWK für den Verkauf fair gehandelter Waren aus wirtschaftlich schwachen Ländern in Afrika oder Südamerika ein und wurde GEPA-Partner. In den Anfangsjahren bauten die Helferinnen und Helfer die Verkaufsstände sonntags nach den Gottesdiensten auf oder bei kirchlichen Festen und Veranstaltungen und erreichten damit Menschen in allen Stadtteilen. „Winfried Heinz in Niederjosbach war unser absolutes Verkaufstalent“, erinnert sich Jochen Souverein. Doch das war mit der Corona-Pandemie vorbei.

Bis vor etwa zehn Jahren holten die Eppsteiner die Waren noch direkt aus dem GEPA- Regional-Zentrum in Alzenau. „Wir konnten damals auch kleinere Mengen oder Handwerksarbeiten auf Kommission mitnehmen“, erinnern sich die beiden Souvereins. Inzwischen sind Bestellungen nur noch online über die Zentrale möglich und nur noch in größeren Verpackungseinheiten.

Gudrun Souverein blättert in einer dicken Mappe. Darin hat sie Fotos und Zeitungsausschnitte gesammelt von etlichen Veranstaltungen des EWK wie Schokolade- oder Kaffee-Verkostung. Auch eine „Lesung mit Wein“ habe der EWK organisiert – alles mit fair gehandelten Waren, versteht sich. Während der jährlichen „Fairen Woche“ im September dachten sich die beiden Marketing-Aktionen aus, um auf ihr Angebot aufmerksam zu machen.

Ideen gebe es immer noch, doch umsetzen müssten das jetzt jüngere Menschen, sagen die beiden und hoffen, dass sich Interessenten bei ihnen auf dem Wochenmarkt melden oder beim Fairtrade-Netzwerk der Stadt. Ansprechpartnerin im Fairtrade-Netzwerk ist Ricarda Prinz aus Alt-Eppstein. „Unsere Waren gibt es bis auf einige ausgefallene Angebote inzwischen auch bei den großen Einzelhandelsgeschäften“, sagt Gudrun Souverein und findet, dass das grundsätzlich eine gute Entwicklung sei. „Es wäre dennoch Schade, wenn diese Tradition zu Ende geht“, sagt sie und denkt dabei an die vielen schönen Begegnungen auf dem Markt und den Gewinn, der für Eppsteiner Projekte in Afrika gespendet wird.bpa

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