Festlich gedeckte Tische mit kreativem Rosengesteck begrüßten die Gäste zum Musikalischen Abend des ortsansässigen Männergesangsvereins Sängerlust. Emsige Servierkräfte verschenkten ihr Lächeln und bewirteten die Ankömmlinge mit Winzerteller und Burgunder.
Fragte man den zweiten Vorsitzenden der Sängerlust, Bernd Fuchs, was er am Vereinswesen besonders schätzt, dann zögerte er nicht lange: „Die Geselligkeit und die Gemeinschaft. Niemand ist allein.“ Chorist Klaus Zimniak pflichtete ihm bei und ergänzte: „Es ist nicht wichtig, dass man immer alle Töne trifft. Es ist wichtig, dass es Spaß macht.“
Unter der Leitung von Ulrich Stoll eröffnete der Chor den Abend mit dem „Sängergruß“. Nach einer kurzen Ansprache des Ersten Vorsitzenden Reinhold Lay boten die gutgelaunten Niederjosbacher zwei dalmatinische Lieder mit dem Titel „Diridonda“ und „Kad si bila mala mare“, das von Maria handelt, welche als Mädchen das Meer und als Frau die Matrosen liebt. Darauf folgte „Südliche Sommernacht“. Dieser Konzertauftakt gestaltete sich als dynamisch, raffiniert gesetzt und stimmgewaltig.
Der Vivat Männerchor Bremthal interpretierte „In der Fremde“ mit warmem Timbre, das sich fokussiert in die Höhe schwang und den Raum füllte. Bei „Wahre Freundschaft“ beeindruckten die Bremthaler mit pulsierender Erzählfreude. Sie vermieden beim Titel „Wo Weinberg an Weinberg“ schwerlastige Schwärmerei und offerierten vielmehr einen klaren und jugendlichen Grundklang.
Den Staffelstab übernahm nun Tenor Karl-Heinz Blößer zusammen mit Jenny Möbus am Klavier. Bereits beim ersten Ton von „Komm in die Gondel“ zog der Sänger das Publikum in seinen Bann. Kein Glas mit Grauburgunder klirrte. EinRindswurstbrötchen, was eben noch zum Munde geführt wurde, verharrte auf halbem Wege. Umsichtig begleitet von Pianistin Jenny Möbus, lud Blößer mit einer stimmlichen Strahlkraft in die Gondel, dass niemand der Zuhörerschaft das Gefährt am Canale Grande freiwillig verlassen wollte.
Als Karl-Heinz Blößer zu der bekannten Melodie „Du bist die Welt für mich“ ansetzte, schien der Vereinssaal viel zu klein für dieses gesungene Lippenbekenntnis voller lyrischem Schmelz. Das applaudierende Publikum mochte den Tenor nicht loslassen. Dieser heizte die Stimmung mit „Granada“ noch mehr auf und bot alle sängerische Brillanz für einen fulminanten Schlusston auf.
Reinhold Lay kommentierte den Auftritt seines Chorkollegen mit den Worten: „Da könnt ihr mache’, was ihr wollt, da komme’ wir nicht mehr hin.“
Die Chorgemeinschaft Kelkheim wagte den Gang auf die Bühne dennoch. Mit getragener Poesie brachte sie die sagenumwobene Ostseeinsel Vineta dazu, aus den Meeresfluten emporzusteigen. Viel Applaus gab es für diese qualitativ ausgearbeitete Ballade. Temporeichen Wechselgesang, beachtliche Energie und Wachheit präsentierte der Chor mit „Wir kamen einst von Piemont“. Im „Weinland“ sparten die Sänger nicht an spritzig-prickelnder Melodik und glasklaren Tönen. Vielmehr hinterließen sie mit ihrer harmonisch abgerundeten Darbietung einen erlesenen Eindruck im Abgang.
Am Pult befand sich nun Franz-Jürgen Dieter zusammen mit dem Vokalensemble „Intermezzo“. Das braune Klavier schien sich in einen durchsichtigen Konzertflügel zu verwandeln, denn auf dem Programm standen nun vier Lieder von Udo Jürgens. Fast schien es, als wolle sich dessen Geist im weißen Morgenmantel hinzugesellen. „Intermezzo“ vollendete „Die Welt braucht Lieder“ mit intensiver Klangfülle. Solist Karl-Heinz Blößers Stimme schwang sich beim „Einsamen Glöckchen“ zu beinahe sphärischer Schönheit empor, tief empfunden, sekundiert vom Chor. Emotional bewegt von dieser Leistung, ließ es sich Reinhold Lay von der Sängerlust nicht nehmen, Karl-Heinz Blößer am Bühnenrand die Hand zu schütteln. Kaum jemand wollte glauben, dass Lieder von solcher Qualität, Tiefgründigkeit und brisanter Aktualität der Schlagerwelt entstammen. In „Heimat“ agierte der Chor lautmalerisch und voller reif gesättigter Klangfarbe. „Ihr von morgen werdet wissen, was aus dieser Erde wird“. Wer bei Jürgens’ Hymne an die Zukunft nicht auf die Bühne schaute, sondern sich zu den Tischen umdrehte, der sah in viele ernste und besorgte Gesichter.
Die Sängerlust trumpfte dagegen mit spielerischer Leichtigkeit auf und punktete mit sanfter Sinnlichkeit, als sie ihr Publikum bei „La Morettina“ verführte. Feinsinnige Tenorstimmen und wohlig temperierte Bässe überzeugten mit „Am Ufer“. Nachdem Ulrich Stoll seinen Chor mittels Stimmgabel auf eine Wellenhöhe gebracht hatte, versetzte er alle Anwesenden an die Wolga. Im Chorwerk „Jascha spielt auf“ bestach die Sängerlust mit einer komplexen Darbietung voller Rhythmik, Leidenschaft und dem Solisten Karl-Heinz Blößer, der seelenvolle Akzente setzte.
„Am Brunnen vor dem Tore“ wurde im Stile der Comedian Harmonists angekündigt. Dieses Lied war die letzte Schallplattenaufnahme der Comedian Harmonists im Electrola-Studio Berlin 1935, ehe das Ensemble von den Nationalsozialisten verboten wurde. „Intermezzo“ brachte auch das Lied „Guter Mond“ ausdrucksvoll zu Gehör.
Das Comedian-Harmonists-Medley ließ niemanden kalt. „Ein Freund, ein guter Freund“ verleitete so manchen zum Mitsingen. Spätestens bei „Wochenend’ und Sonnenschein“ wanderten Smartphones in die Höhe, um das Bühnengeschehen zu filmen. „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“ animierte dazu, sich im Takt zu wiegen und der „Kleine grüne Kaktus“ sorgte für Händeklatschen im ganzen Saal. Rufe nach einer Zugabe quittierte Chorsänger und Moderator Johannes Schwed mit den Worten: „Wir können nicht mehr“.
Während sich „Intermezzo“ wieder unter das Publikum mischte, füllte sich die Bühne mit der Sängerlust, dem Vivat Männerchor Bremthal und der Chorgemeinschaft Kelkheim. Bei drei Liedern des Fechenheimer Komponisten Jean Pauli, insbesondere dem „Würfelbecher“, vereinten die Chöre ihr stimmliches Charisma. „Aus der Jugendzeit“ entfaltete sich bezaubernd elegisch, von sanfter Süße kreierten die Sänger „Rüdesheimer Wein“.
Bevor das Finale eingeläutet wurde, dankte Jürgen Ernst der Klavierbegleiterin Jenny Möbus sowie den musikalischen Leitern Franz-Jürgen Dieter und Ulrich Stoll. Letzterer ließ es sich nicht nehmen, auch das Engagement des Ersten Vorsitzenden der Sängerlust, Reinhold Lay, zu honorieren.
Der Schlussgesang „Als Freunde kamen wir“ manifestierte noch einmal das Gemeinschaftsgefühl und erntete viel Applaus.
Die Niederjosbacher Stadtverordnetenvorsteherin Andrea Sehr, nach dem Stellenwert des Chorwesens in ihrem Ort befragt, äußerte sich: „Unsere traditionsreichen Chöre spielen eine große und wichtige gesellschaftliche Rolle. Singen verbindet.“
Wer selbst Lust bekommen hat, die Sängerlust stimmlich zu unterstützen, ist zu den Proben eingeladen. Diese finden immer donnerstags um 20 Uhr im Vereinssaal statt. Für 22 Euro im Jahr kann man förderndes Vereinsmitglied werden und für 35 Euro jährlich aktives Mitglied. Informationen sind auch unter der Telefonnummer (0 61 98) 10 37 zu erhalten.uki
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