Erich Dambacher, der sich als Sprachrohr der Anwohner verstand, legte ein gemeinsames Papier vor und machte deutlich, das sich eine Diskussion über das vorgelegte Konzept erübrige, da das grundlegende Problem, die verkehrstechnische Anbindung für neue Bewohner am oberen Ende der Bergstraße, in dem Konzept noch nicht einmal benannt werde. Bürgermeister Alexander Simon bezog als Moderator keine Stellung und sagte, dass auch für die Stadt die Pläne neu seien.
Tatsächlich legte Stadtplaner Torsten Becker einen Entwurf vor, der 180 bis 250 neue Wohnungen für zwei bis fünf Personen auf dem rund 50 Hektar großen Areal vorsieht: Zehn Doppelhäuser entlang der Grundstücksgrenze zur Eberlestraße – mit der Maßgabe, dass dafür die dort stehenden und zum Teil noch vermieteten Bungalows abgerissen werden, da eine Sanierung nicht mehr lohne. Stadtplaner Torsten Becker wies darauf hin, dass die GWH langfristig plane, womit er vermutlich andeuten wollte, dass mit dem Abriss noch lange nicht zu rechnen sei. Denn einige der aktuellen Mieter saßen im Publikum.
Darüber will die GWH fünf rechteckige, viergeschossige Mehrfamilienhäuser mit unterschiedlich großen Wohnungen errichten entlang einer neuen Straße mitten durch das Gelände, parallel zur Eberlestraße. Die beiden zentralen Trakte der alten Akademie mit den Zimmern bleiben demnach stehen und würden zu Seniorenwohnungen umgebaut. Der Innenhof, zu dem sich diese bestehenden Gebäudekomplexe öffnen, könne als „Dorfplatz“ zentrale Begegnungsstätte werden, so die Planer.
Die wabenförmigen Schulungs- und Seminargebäude der Akademie sind laut GWH architektonisch gelungen, aber nicht zu halten: Ungedämmte Wände und Decken, zu niedrige Deckenhöhen, zu viele Stufen und Absätze wegen der Lage am Hang, großzügige Verkehrsflächen, zu geringe Nutzflächen, lautete die Analyse: „Einen Oldtimer nutzt keiner im Alltag und einen Liebhaber haben wir bisher nicht gefunden“, fasste der Stadtplaner die Suche nach einem neuen Betreiber zusammen.
An ihrer Stelle stehen auf dem Plan zwei zangenförmige Gebäude, die Arztpraxen, Café oder andere zentrale Einrichtungen aufnehmen könnten und den sogenannten „Dorfplatz“ einrahmen. Rechts und links am Hang sind jeweils drei weitere quadratische, mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser vorgesehen. Ein Kindergarten an der Zufahrt und ein Bildungshaus am Waldrand schlägt die GWH in ihrer Planung ebenfalls vor, ein Entgegenkommen zur Forderung für eine gemischte Nutzung des Areals.
Die einen wollen bauen, die anderen einen Mehrwert für ihre Stadt
Die Wohnungen bieten Raum für mindestens 500, wahrscheinlich eher 700 oder mehr Bewohner. Da nutzte dem GWH-Vertreter auch sein Versprecher nichts, dass die GWH bei ihren Plänen niemals 700 Wohnungen planen wollte: Tatsächlich wehrten sich die Anwohner von Anfang an gegen mögliche Entwürfe für 700 und mehr neue Bewohner – und sind sich darin mit allen Fraktionen einig.
Mit den Plänen der GWH würde Vockenhausens Einwohnerzahl – aktuell gut 3750 – um etwa ein Fünftel steigen. Die Zahl der geplanten Wohnungen entspricht in etwa der Entwicklung von Neubaugebieten der Stadt Eppstein in den vergangenen 15 Jahren, in denen die Stadt nach und nach kleinere Baugebiete im Stadtgebiet ausgewiesen hat: knapp 40 Wohnungen an der früheren Mohrsmühle, zehn Am Dattenbach, 56 Häuser am Hollergewann, insgesamt 24 Häuser In den Amtmannswiesen, 34 Häuser im Gebiet Innatura 2020 Auf dem Bienroth, 47 Wohnungen im Wohnpark Müllerwies, um die größeren aufzuzählen. Das sind zusammengerechnet etwa 210 Wohneinheiten in 15 Jahren. Hinzu kommen in den nächsten Jahren zwei Wohnanlagen in der Hauptstraße mit 19 Eigentumswohnungen anstelle des früheren Gasthauses Zum Taunus und weitere Wohnungen im ehemaligen Nassauer Hof, für die bereits Baugenehmigungen vorliegen.
Die Verkehrssituation auf der Bergstraße, vor allem morgens mit Schulbussen und Pendlerverkehr macht den Vockenhäusern Sorge. In Höhe der Straße Am Kirschgarten verengt sie sich auf eine Spur, so dass der Gegenverkehr vor diesem Nadelöhr warten muss. Und am Ende der Hauptstraße müssen fast alle Fahrzeuge die Ampel zur B455 passieren. Eine Antwort, wie die GWH diese Probleme lösen will, blieb die Gesellschaft schuldig mit dem Hinweis, das werde berechnet, sobald man wisse, wie viele Wohnungen man am Ende bauen könne.
Die Anwohner blieben bei ihrer Forderung: Die Stadt solle eigene Vorstellungen entwickeln und die Leitlinien vorgeben, denen die GWH folgen müsse, nicht umgekehrt. Einer ihrer Vorschläge lautete, die beiden Rathäuser zusammenzulegen und auf dem Areal ein neues Rathaus zu errichten, ein anderer, die beiden Schulen könnten den Platz gut für die dringend benötigte Erweiterung nutzen. Auch eine Streuobstwiese oder eine Art Bürgerpark könne man sich gut vorstellen, legte Dambacher dar: Dann gehe von dem Hang auch keine Starkregengefahr aus.
Die Vertreter der Parteien wiesen daraufhin, dass Wohnungsbau in der von der GWH vorgeschlagenen Größenordnung mit ihnen nicht machbar sei. Lob gab es für einige Aspekte des Plans: So könnte die SPD sich Seniorenwohnungen am Vockenhäuser Südhang vorstellen.
Die Entscheidung, wie das Akademiegelände künftig genutzt wird, liegt am Ende bei der Stadt, denn der Bebauungsplan sieht ausdrücklich an dieser Stelle eine Bildungseinrichtung vor. Für alle anderen Zwecke muss der Bebauungsplan neu formuliert werden und müssen die Stadtverordneten zustimmen.
Große Hoffnungen setzen Stadt, Parteien und Anwohner nun auf ein Studentenprojekt. Wie schon in Niederjosbach und in Bremthal will Professorin Susanne Reiß von der Universität Mainz mit ihren Studenten und Studentinnen städtebauliche Entwicklungsmöglichkeiten ausloten. In der laufenden Woche sind jeweils zwei Studentengruppen in Vockenhausen unterwegs, um den Ort kennenzulernen und mit den Menschen zu sprechen. Am Freitag, 29. November, und am Dienstag, 3. Dezember, sind sie wieder in Vockenhausen unterwegs und laden interessierte Bürgerinnen und Bürger um 14 Uhr zu Workshop und Dialog ins Rathaus I in Vockenhausen ein.bpa
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