1944: Der Chor sang von Engeln, am Himmel flogen die Bomber

Der Kirchenchor Niederjosbach feierte sein 80-jähriges Bestehen.Foto: privat

Der Kirchenchor Niederjosbach feierte sein 80-jähriges Bestehen.Foto: privat

Einen ganz besonderen Jahrestag feierte kurz vor Jahresende der katholische Kirchenchor St. Michael Niederjosbach:

Vor 80 Jahren, kurz vor Weihnachten 1944 gründete der damals noch junge Orgelspieler Alois Ickstadt zusammen mit seinem Onkel Peter Heinz, dem damaligen Organisten der Gemeinde, einen Chor. Ickstadt erinnert sich anlässlich des Jahrestags, wie er aus dem ansatzweise mehrstimmig gesungenen Lied „Vom Himmel hoch ihr Engel kommt“ die Einzelstimmen herauszuhören versuchte und die einzelnen Stimmen notierte. So hörten die Gottesdienstbesucher am vierten Adventssonntag 1944 dieses mehrstimmige Lied, während hoch über ihnen tausende amerikanische Kampfflugzeuge dröhnend ihren schwersten Angriff auf deutsche Städte flogen. „Unser Lied bildete in beklemmender Weise einen symbolischen Gegenpol zum Luftkrieg“, erinnert sich Ickstadt in seinem Vorwort zur Festschrift zum 80-jährigen Chorjubiläum und schreibt weiter: „Engel statt Bomber. Es erschien uns wie eine Beschwörung des Friedens, der Erlösung und des Freiseins von Unheil und Tod.“

Dieses Gefühl, verschont geblieben zu sein, sei eine Art Gelübde, diesen Dank in jedem Jahr zu erneuern und mit mehrstimmigem Gesang das Weihnachtsfest zu feiern, schreibt der inzwischen 94-jährige vielfach ausgezeichnete, emeritierte Professor der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in seinem Vorwort zur Festschrift, in dem er erklärt, was ihn dazu bewog, den Kirchenchor 25 Jahre lang zu leiten und maßgeblich zu prägen.

Obwohl ihm das Alter inzwischen zu schaffen macht, kam Ickstadt zum Jubiläumskonzert am vierten Advent und schrieb noch einmal für das Lied „Vom Himmel hoch, ihr Engel kommt“ die dreistimmigen Notensätze völlig neu. Ebenso wie für das Schlusslied „Lieb Nachtigall, wach auf“, die beide mit Flöte, Harfe, Chor und Orgel ein einmaliges Klangerlebnis boten.

Seinen Verbindungen sei es zu verdanken, so die Vorsitzende des Kirchenchors, Sieglinde Karl, dass Sängerinnen aus dem von Professor Alois Ickstadt gegründeten Figuralchor die 17 Sängerinnen und Sänger des Kirchenchors bei ihrem Jubiläumskonzert unterstützten und bekannte Orchestermusiker auftraten.

Die Leitung des Chors hatte beim Konzert und beim Festgottesdienst am Vormittag in der St. Michael-Kirche, wie seit über 40 Jahren Ickstadts Sohn Thomas, Bruder Peter Ickstadt spielte die Orgel. Als weitere Solisten spielten Flötist Sebastian Wittiber und Harfenistin Anne-Sophie Bertrand zum Beispiel Gabriel Faurès Sicilienne, opus 78. Als Choralvorspiel für Orgel spielte Peter Ickstadt Bachs „Nun kommt der Heiden Heiland“, der Chor stimmte einen frühen Hymnus des Ambrosius von Mailand aus dem vierten Jahrhundert an. Als Flötensolo erklang Debussys „Syrinx“ und Bachs „Fuge d-Moll, BWV 539“ als Bearbeitung für Harfe als Soloinstrument.

Pfarrer Helmut Gros würdigte die große Strahlkraft des Kirchenchors, der in schwierigen Zeiten gegründet wurde, und dankte den Sängerinnen und Sängern sowie dem Chorleiter für ihre Melodien, „die den Menschen guttun und die Friedensbotschaft Gottes durch alle Jahrzehnte getragen haben: Das Lied von der Erlösung vom Glauben, dass der Mensch allein Herr der Welt sei.“

Sieglinde Karl erinnerte sich in ihrer Ansprache nach dem Konzert an die vielen großartigen Auftritte und Konzertreisen des Chors, an die Uraufführung der von Alois und Thomas Ickstadt für den Chor gemeinsam geschriebenen Messe 1984 im Petersdom in Rom, an Fahrten nach Regensburg, Würzburg, Bamberg, Fulda und Trier und an die ausgelassenen Rosenmontagssitzungen.

60 Gäste, Familienmitglieder und Menschen aus befreundeten Vereinen erinnerten sich mit den Chorsängern an festlich geschmückten Tischen im Pfarrzentrum Am Honigbaum anspruchsvolle Chorauftritte in der heimischen St. Michael-Kirche.

Besonders gewürdigt wurden die 90-jährige Ellen Ey, die 75 Jahre lang im Chor aktiv mitgesungen hat, bis sie voriges Jahr aus Altersgründen ausschied. Traudi Ziegler wurde für 60-jährige Chormitgliedschaft geehrt, Peter Ickstadt ist seit 50 Jahren Organist und erhielt dafür eine Urkunde des Bistums. bpa

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