Streifzug durch die Kirchenmusik mit der Dekanatskantorin

Mitmachkonzert Talkirche mit Mareike Beckmann an der Barock Violine und Dekanatskantorin Katharina Bereiter an der OrgelFoto: Caren Lewinsky

Mitmachkonzert Talkirche mit Mareike Beckmann an der Barock Violine und Dekanatskantorin Katharina Bereiter an der OrgelFoto: Caren Lewinsky

Der Abend war hereingebrochen, als sich Konzertbesucher und Chorsänger in der Talkirche zu einem Mitmachkonzert zu Erntedank versammelten. Heike Schuffenhauer leitete alle Ankömmlinge direkt hinauf zur Orgelempore.

In ihrer Willkommensrede zum herbstlichen Erntedankkonzert rief sie dazu auf, das Kulturgut zu pflegen: „Die Jugend singt nicht mehr, außer bei Karaokeabenden oder beim Fußball. Wir sind heute nur wenige, sodass wir alle hier oben sitzen und die Profimusikerin aus nächster Nähe beobachten können und singen nach dem Motto, lieber falsch als gar nicht.“ Damit übergab sie Dekanatskantorin Katharina Bereiter das Wort. Chorsänger und Besucher, genossen sichtlich ihre Führung durch die Epochen der Kirchenlieder von der Reformation bis zur Gegenwart. Begleitet wurde sie von Mareike Beckmann auf der Geige.

Als Auftakt und zum Einsingen spielte sie das typische Erntedanklied „Wir pflügen und wir streuen“. Es folgte ein schlagerartiges Danklied aus einem Kinderchor Singspiel, „Die beste Zeit im Jahr ist mein“. Der Text stammte von Martin Luther. 1517 hatte Martin Luther seine Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlicht. 1524 hatte er die Idee, Psalmen in deutsche, geistliche Lieder umzudichten und so feiert das evangelische Gesangbuch 2024 seinen 500. Geburtstag. Deshalb wurde es dieses Jahr beim Flörsheimer Choralmarathon gefeiert.

Weiter stimmten die Kirchbesucher einen der ernsthaften biblischen Gesänge an, in welchem gediegene Viertelnoten oder ganze Noten eher langweilig anmuten. Das folgende „Nun danket all und bringet Ehr“ von Paul Gerhardt gilt als Stern am Liederhimmel und war eines der motivierenden Stücke nach dem 30-jährigen Krieg. Aus dieser Zeit stammte auch das bekannte „Geh aus mein Herz und suche Freud“. Es war die Zeit des Pietismus, des persönlichen Glaubens, der Bibel- und Hauskreise. Mit punktierten Dreiviertelnoten gleicht es einer kleinen Arie. Nach einem Stück von Joachim Neander über die vier Elemente, das bei Kinderchören sehr beliebt ist, sangen alle einen schweren vielstimmigen Kanon von Georg Phillip Telemann „Ich will den Herrn loben“, an diesem Samstagabend zweistimmig vorgetragen.

Telemann (1681-1767), mit Bach (1685-1750) freundschaftlich verbunden, gilt als einer der produktivsten barocken Komponisten, und trug maßgeblich dazu bei, neue musikalische Ideen zu verbreiten. Die Zeit der Aufklärung (1720-1800) bis hin zur Säkularisation unter napoleonischer Herrschaft bildete einen Tiefpunkt der Kirchenmusik. Die Melodien wurden sehr langsam, sodass Kirchenmusiker in Pausen hinein improvisieren mussten. „Die Romantik gräbt sich raus aus diesem traurigen Loch“, erklärte die Orgelspielerin. So sangen die Mitwirkenden zum Entzücken der Organistin eine süße Kindermelodie mit Kehrvers vor: „Kein Tierlein ist auf Erden dir lieber Gott zu klein“, nach Clemens Brentano.

Ungefähr 8800 Kirchenlieder wurden vom Mittelalter bis zur Gegenwart geschrieben. Die romantischen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg entfernt und erst später wieder hervorgeholt, da sie in dieser Zeit für zu gefühlsduselig galten. Wie zum Beispiel „So nimm denn meine Hände“ oder „Stille Nacht, heilige Nacht“.

„Freuet euch der schönen Erde“ wurde, was selten vorkam, von einer Komponistin, Frieda Fronmüller geschrieben. Danach wurde „Weißt du wie viel Sternlein steh’n“ deklamiert. In den 1960er und 70er Jahren schafften es nur wenige neue kirchliche Gesangsstücke ins Liederbuch, so wie „Ich lobe meinen Gott“, welches zum Amüsement aller Musiker erst mit einem eingeschobenen „Halleluja“ und in der nächsten Strophe mit gepfiffenem „Always look on the bright side of life“, aus dem Monty Python Film „Das Leben des Brian“ zum Besten gegeben wurde.

„Aktuell erleben wir einen Themenwechsel in den Kirchenschlagern hin zu Gleichberechtigung, Gendern, Frieden und Umwelt“, führte Bereiter aus und empfahl das Gesangbuch „Junges Gotteslob“, kurz „Jugolo“. Alle sangen daraus begeistert und überzeugend „Wie sind deine Werke so groß und so viel“.

Mit Gebet und Segensspruch schloss die Pfarrerin diesen musikalischen Streifzug durch die Epochen der Kirchenmusik. Schuffenhauer verabschiedete die 15 Kirchenbesucher mit den Worten: „Singen und Musizieren ist gut für die Gesundheit.“ Eine der Anwesenden ergänzte: „und gut für die Seele.“ Zum Abschluss stimmte der improvisierte Chor das bekannte „Großer Gott wir loben dich“ an. ccl

Weitere Artikelbilder:

Kommentare

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.
Sicherheitsprüfung
Diese Frage hat den Zweck zu testen, ob Sie ein menschlicher Benutzer sind und um automatisierten Spam vorzubeugen.
9 + 5 =
Lösen Sie diese einfache mathematische Aufgabe und geben das Ergebnis ein. z.B. Geben Sie für 1+3 eine 4 ein.


X