Szenenapplaus für Glossenschreiberin Pia Rolfs

Lesezeit im Herbst in Eppstein

Die Lesung von Pia Rolfs war gut besucht. Foto: Sabrina Reulecke

Die Lesung von Pia Rolfs war gut besucht. Foto: Sabrina Reulecke

Für etwa 50 Besucher hatte der Kulturkreis vor der Lesung mit Glossenschreiberin Pia Rolfs am vergangenen Samstag im Blauen Saal Stühle gestellt.

Doch dann strömten zu dem Ereignis im Rahmen der „Leseland Hessen“-Reihe schon beim Einlass eine Stunde vor Beginn der Lesung jede Menge Besucher ins Rathaus I in Vockenhausen, so dass Kulturkreisvorsitzender Horst Winterer mit seinem Team nochmals Stühle nachstellen musste.

Letztendlich genossen gut 70 Besucher die humorvolle, unterhaltsame Lesung unter dem Titel „Wer lacht, lebt noch“ mit dem gebürtigen Nordlicht Pia Rolfs, die inzwischen aber seit 30 Jahren in Frankfurt heimisch ist. Winterer überraschte bei der Begrüßung mit zwei Varianten an Reden. Eine, die er selbst verfasst hatte und eine, die mit Chat GPT von ihm erstellt worden war. Die Journalistin zeigte sich beeindruckt von den KI-Informationen über ihre Person, sehe aber in der neuen KI-Welt keine Konkurrenz für ihre Glossenschreiberei. „Künstliche Intelligenz – Schlüsseltechnologie in Wissenschaft und Forschung“ lautet nämlich der Titel eines Vortrags mit Referent Tobias Hübner am Freitag, 11. Oktober, im Blauen Saal, für den Winterer in seiner Einführung warb.

Souverän übernahm danach Rolfs und berichtete als erstes, dass sie sich sehr freue, wieder einmal in Eppstein zu sein. Zuletzt war sie 2006 bei großem Schneegestöber zu einer Lesung in der Burgstadt. Rolfs präsentierte zahlreiche Glossen, die sie als ihre kleine Spielwiese bezeichnete, neben ihrer Tätigkeit als Nachrichtenredakteurin bei der FNP. 1999 erschien ihre erste Glosse. Seitdem hat die Journalistin 7300 Glossen geschrieben und im Jahr 2000 diese Sparte bei der Zeitung übernommen. Für eine Glosse benötige sie 20 bis 30 Minuten, mehr Zeit habe sie dafür auch nicht zur Verfügung. Die Glossen waren kurzweilig, hervorragend vorgetragen und hatten oft ein Ende, das die Besucher schmunzeln und hin und wieder laut auflachen ließ. Das passte hervorragend zum Motto des Abends „Wer lacht, lebt noch“. Von Zeit zu Zeit bekam die Autorin sogar Szenenapplaus. Thematisch bediente sie in den ersten 45 Minuten der Lesung abwechslungsreich die Themen Mann-Frau-Beziehung, die Arbeitswelt, die Tierwelt, die Deutsche Bahn, die Zeit der Pandemie und die Wichtigkeit des Mobiltelefons. Auch sich als ursprüngliches Nordlicht – Rolfs stammt aus Oldenburg – nahm sie gekonnt auf die Schippe: „Achtung, Nordlichter sind nur bedingt integrationsfähig.“ Speziell die Glossen zu der schweren Zeit der Pandemie „Verliebt in Lauterbach“ oder „Das Ausflugsziel Keller“ mit der neu geschaffenen Trendsportart „Ausmisten“ kamen beim Publikum sehr gut an.

Nach einer Pause von 30 Minuten, in der sich die Besucher intensiv über das Gehörte bei einem Glas Wein austauschten, machte Rolfs nahtlos weiter mit ihren Glossen und betonte, Humor sei für sie überlebenswichtig. Sie endete mit einer ihrer weihnachtlichen Geschichten „Trautes Heim“ aus dem Buch „Weihnachtliche Kurzgeschichten“, das 2021 im Societäts-Verlag Frankfurt erschien. Auch in dieser Geschichte punktete die Autorin mit einem überraschenden Ende.

Geduldig beantwortete Pia Rolfs nach dem zweiten Teil ihrer Lesung viele Fragen aus dem Publikum und freute sich bei der Verabschiedung von Kristine Zabel über ein Glas mit Macadamianüssen von der Eppsteiner Firma Eco-Terra. Mitgebracht für das Publikum hatte Rolfs einige Bücher von „Hinten wird´s heller“, die zur Mitnahme auslagen und nach der Pause rasch vergriffen waren.

Wer ein Exemplar ergattert hatte, nutzte die Gelegenheit, sich sein Exemplar von der Autorin signieren zu lassen. sr

Weiter geht es im Reigen der Leseland Hessen-Reihe: Als nächste Lesung steht der Roman „Bergleuchten“ von Karin Seemeyer am Samstag, 12. Oktober in der Pfarrscheune im Rathausweg in Ehlhalten auf dem Programm.

Die Romanhandlung, die Liebesgeschichte zwischen Helene, der Tochter eines schweizer Fuhrunternehmers, und Piero, einem italienischen Tunnelbauer, ist eingebettet in die spannende Geschichte über den Bau des Gotthardtunnels. Autorin Karin Seemayer stieß bei ihren Recherchen in Göschenen und anderen Originalschauplätzen auf ein historisches Buch von 1885, in dem der gesamte Tunnelbau von 1872 bis 1882 Tag für Tag dokumentiert ist – laut Seemeyer „ein absoluter Glücksfall“ für ihr Buch. Sie fand darin Materiallisten, Kostenaufstellung, Berichte von Banken und Finanziers. Aber auch die zahlreichen Todesfälle während des zehnjährigen Tunnelbaus sind darin aufgeführt. Dank ihrer historischen Quellen schildert sie die Arbeitsabläufe beim Tunnelbau ebenso realistisch wie die sozialen Verhältnisse und die katastrophalen Lebensumstände der Bergleute und zeigt gleichzeitig, wie die Region schon während des Tunnelbaus prosperiert und sich die Stimmung zwischen Einheimischen und Tunnelbauern im Laufe der Jahre immer mehr aufheizt.

Innerhalb weniger Jahre wuchs die Zahl der Einwohner in Göschenen von ursprünglich 300 auf 1500 an. „Der Begriff ,Überfremdung’ wurde damals in diesem Dorf geprägt“, sagt die Autorin. Um die zeitlichen Vorgaben für den Tunnelbau einzuhalten, warb die Compagnie Favre immer mehr Arbeiter an, sorgte aber nicht für ausreichend Unterkünfte. Es fehlte an Wohnhäusern, Toiletten und Waschhäusern.

Offiziell starben 199 Arbeiter beim Tunnelbau. Hunderte, die nicht auf der offiziellen Liste stehen, starben an Krankheiten und Seuchen, die durch Staub, Parasiten und die hygienischen Verhältnisse verursacht wurden: Rund 2500 Menschen auf beiden Seiten des 15 Kilometer langen Tunnels. bpa

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