Böllerschüsse zum EZ-Jubiläum

Gegenwart trifft auf Vergangenheit: Volker Steuernagel als Verlagsgründer Franz Löber und die beiden heutigen Zeitungsmacherinnen Julia Palmert und Beate Schuchard-Palmert (v.li.). Foto: Sabrina Reulecke

Gegenwart trifft auf Vergangenheit: Volker Steuernagel als Verlagsgründer Franz Löber und die beiden heutigen Zeitungsmacherinnen Julia Palmert und Beate Schuchard-Palmert (v.li.). Foto: Sabrina Reulecke

100 Jahre Eppsteiner Zeitung – Dieses Jubiläum feierte der Verlag am Sonntag gemeinsam mit langjährigen Mitarbeitern und zahlreichen Vertretern von Vereinen, Politik und anderen gesellschaftlichen Institutionen auf Burg Eppstein.

Bürgermeister Alexander Simon gratulierte mit der Ersten Stadträtin Sabine Bergold. Ramon Olivella, als Chef der Eppsteiner Weinpresse Untermieter in den Räumen der ehemaligen Druckerei und vor allem Vorsitzender des Burgvereins, brachte gute Wünsche mit. Die Burgschauspieler richteten das Fest für die 85 Gäste und die „Mädels der Eppsteiner Zeitung“, so Vorsitzende Juliane Rödl zu den beiden Zeitungsmacherinnen, Julia Palmert und Beate Schuchard-Palmert, in ihrem Vereinsraum in der Juchhe aus. Zur Freude der Burgschauspieler kamen auch viele Gäste in tollen, stilechten 1920er Jahre Outfits: Die Damen mit Perlenketten, Fransenkleid, Stirnband, die Herren mit Schiebermütze und Knickerbockern oder ganz gewagt in Paillettenhose.

Linda Kratz, begnadete Tortenbäckerin, kredenzte eine EZ-Torte in Schwarz, Gold und Silber mit einem auf Esspapier gedruckten Konterfei des Verlagsgründers Franz Löber und einem Miniatur-Feuerwerk zur Feier des Tages.

Gezündet hat es an diesem Tag noch zweimal: Gegen 18 Uhr hielten Herausgeberin Beate Schuchard-Palmert und Verlegerin Julia Palmert zunächst gemeinsam die Lunte für die beiden Jubiläumsböller am Glühen, bis Benjamin Peschke – noch immer mit Frack und Zylinder seines Outfits als Burgkonservator und Archivgründer Franz Burkhard – das Schießpulver in das Zündungsloch der Böllerkanone gefüllt hatte. Mit lautem Donner, Funkenschlag und dichtem Qualm ertönten zwei Salutschüsse zum 100. Geburtstag des „Blättchens“, wie die Zeitung noch immer in Eppstein heißt.

Auf dieses Jubiläum ging Museumsleiterin Monika Rohde-Reith auch in ihrem Herbstspaziergang in die Geschichte ein und führte ihre Zuhörer dieses Jahr auch zur Eppsteiner Zeitung (siehe Bericht auf Seite 5). Denn unter dem Titel „Um Rossert und Staufen“ erschien vor 100 Jahren, am 15. November 1924, die erste Zeitung für Eppstein. Franz Löber (1889 – 1970) gründete seinen Verlag in der Untergasse und setzte Woche für Woche eine vierseitige Zeitung im Berliner Format.

Zwei Familien schreiben 100 Jahre Verlagsgeschichte – Jubiläumsfeier in der Juchhe

Aus einzelnen Bleilettern setzte Franz Löber die Berichte Buchstabe für Buchstabe, druckte die gesetzten Seiten auf einem Tiegel und gab sie als Abonnementszeitung in kleiner Stückzahl heraus, zum Preis von 30 Pfennig pro Monat.

Von seiner politischen Gesinnung ist wenig bekannt. Allerdings spricht eine Veröffentlichung in eigener Sache zum Jahresende 1931 für sich, die unser Kolumnist Volker Steuernagel im Archiv entdeckt hat. In seiner Rolle als Franz Löber zitierte er eine Passage bei der Jubiläumsfeier: „Da die politischen Aufsätze gerade in letzter Zeit schärfer werden, habe ich mich entschlossen, vom 1. Januar 1931 an keinerlei Aufsätze politischen Inhalts mehr aufzunehmen, keinem zu Lieb und keinem zu Leid – gez. Franz Löber.“

Von seiner Enkelin Eva Röger, ebenfalls freie Mitarbeiterin der Eppsteiner Zeitung, wissen wir, dass ihr Großvater im Ersten Weltkrieg eine Verletzung erlitt und möglicherweise daraus eine kleine Rente bezog. Diese besserte er sich vermutlich als Herausgeber der kleinen Wochenzeitung „Um Rossert und Staufen“ auf. Noch gibt es einige Zeitzeugen, die sich an den bescheidenen Mann erinnern können. Der Alt-Eppsteiner Peter Arnold etwa wuchs in den Nachkriegsjahren auf und erinnert sich an einen freundlichen älteren Mann, der sich gern mit den Menschen auf der Straße unterhielt.

In den alten, im Stadtarchiv aufbewahrten Jahrgängen der Eppsteiner Zeitung lässt sich die politische Entwicklung in Deutschland und in Eppstein nachvollziehen: Die Wahlergebnisse der Reichstagswahlen 1932 in der heutigen Kernstadt Eppstein sprechen für sich: SPD mit gut 200 Stimmen und Zentrumspartei mit 128 Stimmen haben nicht einmal zusammen so viele Wähler wie die NSDAP mit 374 Stimmen. Mit 66 Stimmen war die KPD viertstärkste Kraft.

1935 wurde die Zeitung unter neuem Kopf und mit vorgefertigten Berichten „gleichgeschaltet“ und veröffentlichte NS-Propaganda. Die Auflage schmolz 1939 auf 300 Exemplare, Franz Löber stellte den Druck ein. Die Verlagsrechte gingen an das NS-Gauorgan „Frankfurter Volksblatt“ über.

Erst zehn Jahre später, am 1. Oktober 1949, gab Franz Löbers Sohn Ludwig (1921–2000) das „Blättchen“ in verkleinertem DIN A4-Format unter dem veränderten Namen „Heimat-Bote um Rossert und Staufen“ neu heraus.

In diesem Sinne begann der zweite Teil der Verlagsgeschichte der Eppsteiner Zeitung. Mit einem hoffnungsvollen Neuanfang. Mit dem Einstieg des BILD-Sportreporters Paul Palmert (1934– 2009) und seines Geschäftspartners Alfred Keller, die den Verlag 1986 von Ludwig Löber kauften, begann die Zeit der neuen Eppsteiner Zeitung, von der ersten Ausgabe an computergestützt im Fotosatz erstellt und im Bogen-Offset im kleinen Verlagshaus gedruckt, mit neuem Gesicht, gut lesbarem, dreispaltigem Layout, mit Fotos und eigenen Berichten.

Unterstützt wurde Paul Palmert von seiner Tochter Julia Palmert, seit 1993 Geschäftsführerin der Eppsteiner Zeitung. 2001 stieg mit Beate Palmert-Adorff, seit ihrer Heirat 2014 Beate Schuchard-Palmert, eine weitere Tochter des Verlegers ein und übernahm die Redaktion der Eppsteiner Zeitung.

In einer kurzen Bilderschau ließen die Verlegerinnen Julia Palmert und Beate Schuchard-Palmert 100 Jahre Eppsteiner Zeitung Revue passieren. Mehr davon und weitere Fotos vom Festabend gibt es in einer Sonderbeilage, die für November geplant ist.  bpa

Ohne Worte! Oder doch?
Bürger Jordan spricht:

1966 gründete Ludwig Löber eine Laienspielgruppe,
und fortan waren Theater und Ludwig Löber eine eingeschworene Truppe.
Er schrieb den Schauspielern die Rollen auf den Leib,
bis heute noch ein wunderschöner Zeitvertreib.

Somit war für uns klar, wir feiern zusammen das Jubiläum „EZ 100 Jahr’“, wie wunderbar.

Ich denk’ gern an de Löber Ludwig zurück,
mer hat ihn getroffe halt im Ort,
immer offe für e Schwätzje und uff e Wort.
„Ei Bub wie geht dir´s dann?“, „Mach’s gut, mer seh’n uns dann irschendwann“.

Die Eppsteiner Zeitung, auch EZ genannt,
is regional und natürlich im Ort bekannt,
ein amtliches Mitteilungsblatt,
für die Gemeinde, Vereine und die Stadt.
Der aane liest es als „Blättsche“, aus’m Ort,
der annere versteht beim Hessische kaa einzig Wort.
Auch im „Online Handel“ oder auf web.de,
finden wir Leser die Lektüre schee.
Und so kannste des „Blättsche“ überall lese,
auch wenn du noch nie warst in Eppstein gewese.

Fake News und Storys, die nicht recherchiert,
bekommst du von de EZ nicht serviert,
alles is seriös und fundiert.
Die Löbers habe es bekannt und groß gemacht,
mahnend – aber auch über Späße gelacht.

Ich zitiere aus dem „Anzeiger“ Um Rossert und Staufen vom 31.12.1931 – hier ist das Original:
„Unsere Zeitung ist seit einiger Zeit zum Kampfplatz politischer Auseinandersetzungen geworden,
zu meinem eigenen und vieler Leser Bedauern. …
Der Anzeiger ist kein politisches Organ, sonst könnte er nicht der ganzen Gemeinde dienen.
Da die politischen Aufsätze gerade in letzter Zeit schärfer werden, habe ich mich entschlossen,
om 1. Januar 1931 an keinerlei Aufsätze politischen Inhalts mehr aufzunehmen,
keinem zu Lieb und keinem zu Leid – gez. Franz Löber.“

E paar Jahr später wurd’s Blättsche von de Nazis gleichgeschaltet und 1939 ganz übernomme,
um erst 1949 wieder neu zu beginne.
Fürs Lokalkolorit, über’n Tellerrand hinaus, bekommt die EZ Applaus,
hier und da auch mal Kritik, an der ortsansässigen Kommunalpolitik.
Vereine melden dort alles, was geschieht im Ort –
Ehrungen, Jubiläen, die Erfolge im Sport,
Bundessieger, Kreis- und Bezirksmeister,
gute Menschen und Burg-Geister,
ob Tragödien, Hochzeit und Trauer,
alles rund um Eppsteins Burg und Mauer.
Das kirchliche, ob katholisch oder Evangelen,
jeder findet seine Rubrik, für alle Seelen.

Über alle Stadtteile kannst du was lesen,
ob heut was is, oder gestern war gewesen.
Manch einer würde vielleicht gern,
hier etwas lesen auch von fern,
und nach dem Einzug von Paul Palmert, der von de Bild,
dachten viele, jetzt wird’s bestimmt bunt und wild.
Er ändert jedoch nichts und fügt sich ein,
die EZ bleibt ein Mitteilungsblatt für rund um Eppenstein.

Nach dem Paul kommt der nächste Schritt,
seine Mädels mischen mit.
In die Männerwelt kommt Frauenpower,
das ist nun schon länger von Dauer.
Die Karla Kolumnas der Journalien,
wie bei Asterix in Galien.
Ihr habt des Blättsche bunt gemacht,
un den Druck nach Fulda geschafft.
Ich glaab de Karl-Josef war net so entzückt,
„ei die Mädscher sin doch verrückt!“
Jetzt steht die Druckmaschine für immer still,
wie des nur weitergehen will.

Auch wenn ihr Palmerts heut’ aufgeregt und vielleicht nervös,
bleibt wie ihr seid, charmant und seriös.
Ich freu’ mich weiterhin uff gemeinsames Tun,
wir haben noch genug Zeit, uns später auszuruh’n,

Wenn ihr nicht mehr seid hier im Ort,
dann geht so viel verloren an Bild und Wort,
dann wird es trostlos, öd und still,
und des is des, was keiner habbe will.
Ich zieh die Kapp oder de Hut,
ihr tut de Mensche, dem Ort und uns all –
einfach gut.

Volker Steuernagel alias „Bürger Jordan“

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